Kreatives Coding in Bonn

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Distanzunterricht - Werkzeuge für das Denken und Netiquette

Seit Mittwoch sitzen unsere Kinder zuhause im Distanzunterricht. Es ist nicht so, als ob wir das im Frühjahr nicht schon ein wenig geübt hätten. Oder doch nicht. Damals war Distanzunterricht doch eher die Ausnahme. Inzwischen steht die Infrastruktur in der Schule, das WiFi, Laptops für die Lehrer (immer noch die privaten, leider). 

Was fehlt, ist die Übung, oder, wie man früher in den Foren sagte, die Netiquette. In Microsoft Teams können leider nicht alle durcheinander reden. Dann werden einfach alle unterdrückt. Und ja, Teilnehmer können andere stummschalten. Aber man muß das nicht tun, nur weil man gerade die Aufmersamkeit der Klasse auf sich ziehen möchte. Und es kann dann auch eine Unterrichtsstunde vollständig sprengen, wenn die Mehrzahl der Schüler das Arbeitsblatt erst in den Untiefen der Microsoft-Navigationsstruktur aufstöbern muss, dann die heruntergeladene Datei nicht findet und sie zuletzt wegen fehlendem Drucker oder falschem Dateiformat nicht verwenden kann.  

All das muss man wollen, verstehen und üben. Am Ende fehlt dann möglicherweise immer noch eine Wand mit Post-Its, auf der man frei und kreativ zusammen Ideen entwickeln kann. Werkzeuge von Microsoft, auch wenn sie günstig verteilt werden, taugen für sowas leider gar nicht. Powerpoint ist auf Einzelseiten beschränkt, das Whiteboard bietet nur Freihandwerkzeuge, und Planner, ein schlecht abgekupfertes Trello, schränkt die Denkmöglichkeiten auf starre drei Ebenen und einen linearen Projektfluß ein.   

Seit August gibt es von Ministerin Gebauer eine Broschüre oder „Handreichung“ mit Anleitungen, wie Distanzunterricht aussehen kann.

Die Broschüre wird unter der Adresse broschüren.nrw zum online Lesen angeboten. Seufz! Das ist eine (im Firefox auf einem Mac) fast unbenutzbare Single Page Application. Die Navigation funktioniert kaum, Selektieren von Text ist fast gar nicht möglich. Warum ist solch eine Art der Darstellung cooler als eine einfache HTML-Seite? Immerhin gibt es ja die Broschüre auch als PDF zum Herunterladen und Ausdrucken. 

Leider widmet diese 46 seitige Broschüre nur 7 Seiten der Planung und Durchführung des Unterrichtes. Auf eine möglichst enge Zusammenarbeit von Lehrern, Schülern und Eltern wird in Abschnitt 3.1 eingegangen: 

Hilfreich kann es auch sein, die im Kollegium, aber auch eventuell in der Schüler- und Elternschaft vorhandenen Kompetenzen (Geräte einrichten, Erklärfilme erstellen, Blogs einrichten, Videos drehen usw.) zu erfragen und bei Bedarf zu nutzen.

Sogar Patenschaften zwischen Schülern unterschiedlicher Jahrgänge wird erwogen, allerdings mit dem Hinweis auf notwendige Vorbereitung und Verlässlichkeit:

Auch Patenschaften von älteren Lernern für jüngere Schüle- rinnen und Schüler können ein tragfähiges Konzept für die Zeit des Distanzunterrichts sein. Hier müssten die Beziehungen so aufgebaut werden, dass die Patin oder der Pate eine zuverlässige Unterstützung in Distanzzeiten gewährleisten kann.

Interessant sind sechs Impulse für das Distanzlernen, die ähnlich wie die Punkte des agilen Manifestes formuliert sind:

  1. So viel Empathie und Beziehungsarbeit wie möglich, so viel Tools und Apps wie nötig.
  2. So viel Vertrauen und Freiheit wie möglich, so viel Kontrolle und Struktur wie nötig
  3. So viel einfache Technik wie möglich, so viel neue Technik wie nötig
  4. So viel asynchrone Kommunikation wie möglich, so viel synchrone wie nötig.
  5. So viel offene Projektarbeit wie möglich, so viele kleinschrittige Übungen wie nötig.
  6. So viel Peer-Feedback wie möglich, so viel Feedback von Lehrenden wie nötig.

Aha, einfache Technik, asynchrone Kommunikation, Projektarbeit, Peer-Feedback. Sinnvoll, aber nicht ohne Übung umzusetzen. 

Die Möglichkeit von Video-Konferenzen wird genannt, aber es wird vor allem auf die Schwierigkeiten hingewiesen. Was genau bedeutet es aber, dass der LOGINEO NRW Messenger mit perspektivisch integriertem Videokonferenztool ausgestattet ist. Ist er oder wird er?

In 4.2 “Unterricht Planen” heißt es dann:

Unterricht, der auf Selbststeuerung und Offenheit setzt, Lernprozesse individualisiert und zugleich Kooperation fördert und unterschiedliche Formen der Rückmeldung (summativ, formativ, Peer-Feedback) ermöglicht, ist aus didaktischer Sicht generell sinnvoll und zeitgemäß.

Vorher wird allerdings betont, dass diese Art Unterricht Übung erfordert. 

Immer wieder wird in dem Papier auch auf das Lernmanagementsystem LOGINEO NRW LMS hingewiesen, welches auf der freien Software Moodle basiert. Dessen Nutzung muss durch die Schulleitung beantragt werden und kann dann kostenlos genutzt werden.

Also, alles drin: Projektarbeit, Arbeit nach Wocheplan, Einsatz eines freien Lernmanagementsystems. Aber: Viel Übung der neuen Wege ist nötig. Meine Tochter hat eine Klassenleiterstunde und meine Infomedienstunde. Die hätte man für solche Übung nutzen können. Mein Gefühl ist, dass diese Möglichkeit bei uns nicht genügend genutzt wurde. Was meint ihr? 

Das Bild der Pinwand ist von https://unsplash.com/@lionxvibe (Alexandre Lion).

Gestartet von Dr. Olav Schettler in Kreatives Coding in Bonn 17. Dezember 2020 17:17